Abschnitt mit der Überschrift Berufsrecht

Berufsrecht

Die Landesapothekerkammer Hessen hat die Aufgabe, die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen. Die Kammerangehörigen sind nach § 22 des Heilberufsgesetzes (HeilbG) verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen in Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Diese allgemein gehaltene Klausel wird durch zahlreiche Regelungen konkretisiert, die sich u.a. aus der Berufsordnung der Landesapothekerkammer Hessen, der Apothekenbetriebsordnung oder aus dem Apothekengesetz ergeben. Für den Apotheker resultiert daraus eine große Bandbreite von Pflichten, die es im Rahmen der Berufsausübung zu berücksichtigen gilt. Verstoßen Apotheker gegen berufsrechtliche Pflichten, drohen berufsrechtliche Sanktionen, so beispielsweise bei Verstößen gegen die Beratungspflicht in Form der Nichtberatung, der Falschabgabe eines Arzneimittels, der Verweigerung der Belieferung eines Rezeptes oder der Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ohne Rezept. Zur Ahndung dieser Berufsvergehen existiert die Berufsgerichtsbarkeit, eine spezielle, neben den Strafgerichten bestehende Gerichtsbarkeit zur Ahndung von Berufsvergehen.

Das berufsgerichtliche Verfahren ist im sechsten Abschnitt des Heilberufsgesetzes in den §§  49-88 geregelt. Ausgangspunkt bildet hier § 49 Abs. 1 S. 1 HeilbG, wonach Verstöße von Kammerangehörigen gegen ihre Berufspflichten im berufsrechtlichen Verfahren geahndet werden. Das berufsrechtliche Verfahren stellt ein nichtöffentliches Verfahren dar, dessen Zweck darin besteht, das Ansehen des Berufsstandes in der Öffentlichkeit zu wahren.

Das Verfahren bei etwaigen Verstößen von Apothekern gegen Berufspflichtverletzungen beginnt damit, dass die Landesapothekerkammer Hessen eine schriftliche Beschwerde über eines ihrer Mitglieder erreicht. In erster Linie beschweren sich Kunden bzw. Patienten der Apotheke. Einige Beschwerden erfolgen auch durch andere Kammermitglieder oder Ärzte. Lediglich in seltenen Fällen erreicht die Landesapothekerkammer Hessen eine Mitteilung von anderen Behörden, z.B. der Staatsanwaltschaft oder des Regierungspräsidiums, die das Fehlverhalten eines Kammermitgliedes zum Gegenstand hat.

Nachdem die Landesapothekerkammer Hessen Kenntnis von der Beschwerde erlangt hat, prüft sie, ob der durch den Beschwerdeführer vorgetragene Sachverhalt Tatsachen beinhaltet, die den Verdacht eines Berufsvergehens rechtfertigen. Ist dies der Fall, wird das Verfahren dem Kammervorstand vorgelegt, welcher nun über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entscheidet. Beschließt der Kammervorstand, das Ermittlungsverfahren einzuleiten, wird dem Beschuldigten im nächsten Schritt die Möglichkeit gegeben, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dies geschieht mittels einen Anhörungsschreibens. Hierin wird dem Beschuldigten der erhobene Vorwurf des Beschwerdeführers eröffnet. Gleichzeitig wird ihm erläutert, gegen welche Normen sein Verhalten, sollte es tatsächlich zutreffen, verstoßen haben könnte. Der Beschuldigte erhält die Gelegenheit, sich binnen einer Frist zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern. Eine Pflicht zur Stellungnahme trifft den Beschuldigten jedoch nicht. Wie im Strafverfahren auch, hat der Beschuldigte das Recht zu schweigen. Er kann auch einen Rechtsanwalt konsultieren und sich von diesem beraten lassen.

Nach der Anhörung des Beschuldigten findet eine erneute rechtliche Würdigung statt, bei der auch geprüft wird, ob weitere Ermittlungsmaßnahmen, wie die Vernehmung von Zeugen, erforderlich und erfolgsversprechend sind, um den Sachverhalt aufzuklären. Das Ergebnis der Ermittlungen dem Kammervorstand unterbreitet. Wenn dieser den Verdacht eines Verstoßes des Beschuldigten gegen Berufspflichten für nicht begründet hält, stellt er das berufsrechtliche Verfahren an dieser Stelle ein, § 59 Abs. 1 S. 1 HeilbG. Weitere Einstellungsmöglichkeiten regelt § 59 Abs. 1 S. 2 HeilbG, so ist beispielsweise eine Einstellung des Verfahrens auch möglich, wenn die Schuld gering ist und die Folgen der Tat unbedeutend sind und kein öffentliches Interesse an der Ahndung des Berufsvergehens besteht. Wenn die Schwere der Schuld nicht entgegensteht, kann der Kammervorstand mit Zustimmung des Berufsgerichts und des Beschuldigten auch vorläufig von der Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens absehen und dem Beschuldigten zugleich Auflagen nach § 59 Abs. 6 Nr. 1- 3 auferlegen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Ahndung des Berufsvergehens zu beseitigen.

Hält der Kammervorstand nach dem Ergebnis der Ermittlungen den Verdacht eines Verstoßes gegen Berufspflichten hingegen für begründet, leitet er das berufsgerichtliche Verfahren durch Vorlage einer Anschuldigungsschrift unter Beifügung der Akten beim Berufsgericht ein, § 60 Abs. 1 S. 1 HeilbG. Für die Anfertigung und Vorlage der Anschuldigungsschrift bedient sich die Landesapothekerkammer Hessen sog. Ermittlungsführer, die entsprechend der Regelung des Heilberufsgesetzes vom Kammervorstand beauftragt werden. Das Berufsgericht ist erstinstanzlich an das Verwaltungsgericht Gießen angegliedert und entscheidet nach Eingang der Anschuldigungsschrift über deren Zulassung.

Nach Zulassung der Anschuldigungsschrift hat das Berufsgericht die Möglichkeit, das Verfahren mit oder ohne Hauptverhandlung zu beenden. Das Verfahren wird ohne mündliche Verhandlung im Wege eines Beschlusses beendet, wenn der Vorsitzende des Berufsgerichts eine Warnung, einen Verweis oder eine Geldbuße bis zu zweitausend Euro für ausreichend hält, § 67 Abs. 1 S. 1 HeilbG. Gegen den Beschluss können der Kammervorstand, die Aufsichtsbehörde und der betroffene Apotheker innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Berufsgerichts Einspruch erheben. In diesem Fall wird ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, § 67 Abs. 2 HeilbG.

Hält das Gericht eine Hauptverhandlung für erforderlich oder wurde rechtzeitig Einspruch gegen den Beschluss erhoben, bestimmt der Vorsitzende des Berufsgerichts einen Termin zur Hauptverhandlung. Zu Hauptverhandlung werden der Kammervorstand und der Beschuldigte sowie diejenigen Zeugen und Sachverständigen geladen, deren persönliches Erscheinen für erforderlich gehalten wird. Das gleiche gilt für die Anordnung der Herbeischaffung anderer, erforderlicher Beweismittel (§ 65 Abs. 1). Zugleich wird die Aufsichtsbehörde über den Termin zur Hauptverhandlung informiert. Der Beschuldigte kann die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen oder die Herbeischaffung anderer Beweismittel zur Hauptverhandlung verlangen. Hierfür muss er einen Antrag bei dem Vorsitzenden stellen, in dem er die Tatsachen angibt, über die der Beweis erhoben werden soll.

Nach Schluss der Hauptverhandlung, kann dem Beschuldigten eine berufsgerichtliche Maßnahme nach § 50 Abs. 1 Nr. 1-5 HeilbG auferlegt werden. Hier kommen eine Warnung, ein Verweis eine zeitweilige Entziehung des Wahlrechts, eine Geldbuße bis zu einhunderttausend Euro oder die Feststellung der Unwürdigkeit der Berufsausübung in Betracht. Der Beschuldigte kann ferner freigesprochen oder das Verfahren eingestellt werden. Gegen das Urteil des Berufsgerichts steht dem Beschuldigten bzw. nunmehr Verurteilten, aber auch dem Kammervorstand und der Aufsichtsbehörde als Rechtsmittel die Berufung zur Verfügung.

Während des gesamten berufsrechtlichen Verfahrens besteht kein Anwaltszwang. D.h., der Beschuldigte kann frei entscheiden, ob er dem Verfahren einen Anwalt hinzuziehen möchte oder nicht, § 61 HeilbG.

Auf eine Besonderheit des berufsrechtlichen Verfahrens im Verhältnis zur Strafgerichtsbarkeit ist abschließend noch hinzuweisen: Der Strafgerichtsbarkeit ist der Vorrang gegenüber der Berufsgerichtsbarkeit eingeräumt, das heißt, während eines Strafverfahrens darf kein berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden. Erst nach Abschluss des Strafverfahrens besteht die Möglichkeit, ein berufsgerichtliches Verfahren einzuleiten, wenn ein sogenannter „berufsrechtlicher Überhang“ zu bejahen ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Verhalten bzw. die Tathandlung den Kernbereich der Apothekertätigkeit betrifft und hierdurch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die gewissenhafte Ausübung des Apothekerberufes geschädigt und so auch das Ansehen des Berufsstandes gemindert wird.